Humboldt-Universität zu Berlin

Habilitationsprojekt / Postdoc Project

Meine (kumulative) Habilitation beschäftigt sich mit dem Thema Argumentieren im Englischunterricht. Dieses betrachte ich im Lichte einer Education for Democratic Citizenship und somit als wichtigen Beitrag zur Schärfung der politischen Dimension des Fremdsprachenunterrichts. Neben konzeptuellen Überlegungen zu Stellenwert, Bedeutung und didaktischen Potentialen des Argumentierens in der Fremdsprache Englisch enthält die Habilitation Exempel empirischer Professions- und Unterrichtsforschung, wobei insbes. die Methode des formal gerahmten Debattierens (Debating) in den Blick genommen wird. Das Forschungsvorhaben ist z.T. in das zum Schuljahr 2022/23 startende Schulentwicklungsprojekt Join the Debate! integriert (Details s.u. sowie Webseite).

Zur Relevanz und Aktualität des Habilitationsthemas sei vorab erwähnt, dass die Erforschung von argumentativen Kompetenzen und deren Erwerbskontexten derzeit in verschiedenen Fachdidaktiken (v.a. science education) einen Aufwind erlebt, nicht zuletzt angesichts gesellschaftlicher Phänomene wie fake news, Verschwörungstheorien oder politischem Extremismus, die als systematische Unterwanderungen demokratischer Diskursweisen interpretiert werden können. Aus fremdsprachendidaktischer Perspektive ist das Argumentieren zwar in verschiedenen Konzepten (z.B. Bildungssprache, fremdsprachliche Diskursfähigkeit) und Ansätzen (z.B. Genre-Didaktik, critical literacy approach) mitgedacht und bedeutsam, bislang aber nicht systematisch erforscht. In der Schulpraxis wird die Beherrschung argumentativer Kompetenzen zwar in Abschlussstandards (z.B. den einheitlichen Prüfungsanforderungen für das Abitur) eingefordert, der Lernweg dorthin ist allerdings in Curricula und Lehrwerken – z.T. bedingt durch deren traditionelle Dominantsetzung von skills (listening, speaking, reading, writing, mediation) – kaum abgebildet. Auch als Teil der schulischen Querschnittsaufgabe Demokratiebildung wird Argumentationskompetenz bislang kaum ausbuchstabiert.

Die Unterrichtsmethode Debating ist in fremdsprachendidaktischer Hinsicht interessant, weil sie ein komplexes Unterrichts- und Diskussionsformat darstellt, innerhalb dessen eine Vielzahl argumentativer Teilkompetenzen zum Einsatz kommen und empirisch untersucht werden können (z.B. monologisches vs. dialogisches und mündliches vs. schriftliches Argumentieren, Produktion – Analyse – Evaluation). Auch im Hinblick auf demokratiebildende Effekte eröffnet die Methode vielfältige Fragen, z.B. bezüglich der Wirkung des durch sie ermöglichten Perspektivwechsels oder des Aufgreifens aktueller gesellschaftlicher Themen und Diskurse.

Das erwähnte Schulentwicklungsprojekt Join the Debate!, das ich gemeinsam mit der ehem. Englischlehrkraft und Fachseminarleiterin Martina Kaltenbacher initiiert habe, verfolgt das Ziel, fremdsprachliches Debattieren in einem Kreise unterschiedlicher Berliner Schulen (v.a. Integrierte Sekundarschulen) zu etablieren, idealerweise fächerübergreifend und curricular verankert. Es bietet somit einen idealen Rahmen für Datenerhebungen und Veröffentlichungen innerhalb meiner Habilitation. Der dreiphasige Aufbau des Projekts (Loop 1: Qualifizierung von Lehrkräften, Loop 2: Implementierung, Loop 3: Verankerung in der Schulstruktur) erlaubt sowohl eine Fokussierung auf unterschiedliche Akteure (Lehrende, Lernende, Schulleitungen) als auch auf unterschiedliche Forschungsperspektiven (Professionalisierungsforschung, Unterrichtsforschung, Schulentwicklungsforschung).

In Loop 1 sollen v.a. die an der Qualifizierung teilnehmenden Lehrkräfte forschend in den Blick genommen werden. Sie werden von Lehrkräften aus einem bereits bestehenden Netzwerk Berliner Debattierschulen in der Handhabung und Vermittlung der Methode Debating geschult. Die Qualifizierung beinhaltet u.a. Einführungen in die pädagogischen, politischen und fachdidaktischen Grundlagen sowie die Formate und Regeln des Debattierens, Anleitungen zur Evaluation argumentativer Texten sowie eine Selbsterprobung im Debattieren. Sie besitzt auch partizipative, kollaborative und somit dynamische Anteile, indem auf Grundlage der einführenden Veranstaltungen sowie der Selbsterprobung eine gemeinsame Reflexion und ggf. Adaption der Unterrichtsmethode und ihrer Vermittlung an die jeweiligen standortspezifischen Bedingungen erfolgt. Zur Fortführung dieses Prozesses und zur Begleitung der fächerübergreifenden Implementierung von Debating in den Unterricht (Loop 2) werden die teilnehmenden Lehrkräfte zudem beim Aufbau professioneller Lerngemeinschaften unterstützt. Das mit dem Schulentwicklungsprojekt verbundene Forschungsvorhaben versteht sich vor diesem Hintergrund ebenfalls als ein dynamisches, von Ideen des Design-Based Research inspiriertes, und transdisziplinäres Projekt. Alle beteiligten Akteur*innen werden als potentielle Forschungspartner*innen betrachtet und im Wechselspiel mit ihren Einflüssen auf die Projektgestaltung werden die spezifischen Forschungsfragen sich weiterentwickeln bzw. verändern.

Die Ausgangsfrage für die Erforschung von Loop 1 soll in diesem Sinne lauten:

Welchen Erkenntnis- und Kompetenzgewinn bezogen auf die a) Didaktik/Vermittlung des Argumentierens sowie auf die b) eigene Professionalisierung/Lehrer*innenrolle erleben Lehrkräfte im Rahmen der Qualifizierung zu Debating-Coaches?

Mögliche Teilfragen lauten:  

  1. Wie entwickeln sich im Zuge der Qualifizierung bei den teilnehmenden Lehrkräften
  • das konzeptuelle Verständnis von Argumentationskompetenz;
  • die subjektiv wahrgenommenen Kompetenzen zur Vermittlung der Methode Debating;
  • die subjektiv wahrgenommenen Kompetenzen zur Evaluation argumentativer Texte?

2. Wie entwickeln sich im Zuge der Qualifizierung bei den teilnehmenden Lehrkräften

  • die fachdidaktischen/pädagogischen Überzeugungen bez. der Methode Debating;
  • die Haltungen gegenüber einer fächerübergreifenden Förderung/Vermittlung von Argumentationskompetenz;
  • das Selbstverständnis als Vermittler*innen demokratischer Bildung?

Das geplante Forschungsdesign umfasst Befragungen (Fragebögen und ggf. Einzel- und/oder Gruppeninterviews) zu den Zeitpunkten t1 (vor Beginn der Qualifizierung), t2 (unmittelbar nach der Selbsterfahrung im Debattieren), t3 (nach Ende der Qualifizierung). Als Analysemethoden sind v.a. inhaltsanalytische Verfahren (Qualitative Inhaltsanalyse, Grounded Theory) vorgesehen.

 

Bereits vorliegende Veröffentlichungen zum Habilitationsthema:

  • Schultze, Katrin, Dahl, Paula & Kaltenbacher, Martina (2022): Fremdsprachliches Debattieren als Methode kulturellen Lernens – Perspektiven aus Schulpraxis und Lehrkräftebildung. In: König, Lotta; Schädlich, Birgit; Surkamp, Carola (Hrsg.):  unterricht_kultur_theorie – Kulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht gemeinsam anders denken. Reihe LiKuS (Literatur, Kultur, Sprache). Stuttgart/Weimar: Metzler, 317-334.

Veröffentlichungen in Vorbereitung:

  • Schultze, Katrin (2023): „Demokratiebildung und Fremdsprachendidaktik“. In: Achour, Sabine; Pech, Detlef; Eberhard, Philip; Jordan, Anne; Sieberkrob, Matthias; Zelck, Johanna: Demokratiebildung und Fachdidaktik. Frankfurt a. M.: Wochenschau Verlag.